

das Heimatbuch "Enzklösterle"
Während dem 2. Weltkrieg 1939-1945 und in der bitteren Nachkriegszeit fielen auch die Murgtäler in größerer Zahl in unsere Wälder zum Heidelbeeren sammeln ein. Dies hat den Einwohnern von Enzklösterle nicht gepasst und es kam zu bösen Wortwechseln und Streitigkeiten („kleinen Heidelbeerkriegen“].Die Sammelzeit wurde von den Revierförstern festgelegt, die streng darauf achteten. Es wird zum Beispiel auch berichtet, dass Förster Schultheiß die gesammelten Heidelbeeren beschlagnahmt oder sogar ausgeleert hat, insbesondere, wenn die Sammler in die Pflanzgärten eingestiegen sind. Auch seien mit dem LKW des Hugo Bauer, Calmbacher in die Wälder von Enzklösterle gefahren worden (Fahrpreis ein Teil der gesammelten Beeren). Verärgerte Bewohner von Enzklösterle warfen dem LKW Prügel nach, wenn die Calmbacher mit vollen Körben durch den Ort gefahren sind. Revierleiter Hauser, Gernsbach berichtet. nach Akten aus früherer Zeit, dass vom Württembergischen Herzog einmal für ein Jahr Preiselbeersammelverbot verhängt wurde, um die Population des Auerwilds nicht zu beeinträchtigen.
„ihr Haibeerleut, ihr Haibeerleut, ihr hent jo volle Krätte“
Die Heidelbeeren waren früher, als der Fremdenverkehr noch nicht die Ausmaße hatte wie heute hatte, die aupteinnahmequelle der Familien. Die Hauptferien Ende Juli bis Mitte August waren früher die Heidelheerferien, die meist drei bis vier Wochen dauerten. ln dieser Zeit gingen alle Schüler mit ihren Geschwistern und der Mutter täglich in die Beeren. Morgens um 6 Uhr war „Tagwache“, und dann gings los in die Wälder. Spätestens um 7 Uhr mußte man an der Zopfstelle sein, die oft mehrere Kilometer entfernt war. Die erste Woche war meist der „Schöllkopf“ das Ziel der Pflücker, weil dort an den Südhängen die Beeren viel schneller reif wurden. Dann folgte in der zweiten Woche der „Hummelberg“, und als der „abgegrast“ war, steckte man die Ziele etwas weiter und ging in Richtung Rombachhof und hinauf zum badischen Wald, ein Gebiet, das von vielen Einheimischen wegen der dort vielen Kreuz- und Moorottern etwas gefürchtet war, obwohl eigentlich nie jemand von einer giftigen Schlange gebissen wurde. Ohne den lohnenden Nebenverdienst wäre es nicht möglich gewesen, Zucker zum Einmachen von Gsälz (Marmelade). Saft und Heidelbeermost zu kaufen. Die Frauen bestritten mit ihrer „Heidelbeerkasse“, die meist im Weißzeugschrank gut versteckt war, die Ausgaben für Schuhe und Kleider, und so mancher Gabentisch an Weihnachten wäre sonst leer geblieben. Immerhin bedeuteten damals ca. 1200 bis 2000 Zentner Heidelbeeren, die in Enzklösterle gepflückt wurden und von Großhändlem täglich am späten Abend aufgekauft wurden, bei einem Durchschnittspreis von 20 Pfg. pro Pfund etwa 25.000 bis 40.000 Mark, diejährlich zusätzlich in den Ort flossen. Man hätte damit gut und gerne beispielsweise vier oder fünf Einfamilienhäuser in jener Zeit bauen können. Ein Holzhauer hatte damals bei neunstündiger schwerer Arbeit und einem Stundenlohn von 50 Pfg. im Tag 4,50 Mark verdient. Ein Kind mußte, um den gleichen Verdienst zu erzielen. etwas mehr als 20 Pfund pflücken. Gute Pflückerinnen brachten es im Tag bis auf 50 und 60 Pfund. wohlgemerkt „gezopft“ und nicht „gerefft“. Mit der Reffe durfte erst gearbeitet werden, wenn die Ernte im Ausklingen war und an den Stauden keine grünen Beeren mehr hingen. Wer besonders fleißig war, bekam im Ort den Titel „Heidelbeersau“. Das war absolut kein Schimpfwort, sondern eine Auszeichnung für die besten Zopfer und Zopferinnen. War man einmal nicht mehr so fleißig, dann sang man am Abend bei der Heimkehr: „Ihr Haibeerleut, ihr Haibeerleut, ihr hent jo leere Krätte, ihr hent jo nix, ihr hent jo nix. ihr hent jo älles gfressa!“.
Historische Aufnahme der „Hirschtalfrauen” mit ihren Kindern beim Abliefern der Heidelbeeren vor der Sammelstelle des einstigen Rathauses. Die großen Körbe – in Enzklösterle hießen sie „Zaine“ oder „Krätte“, rechts der Enz im Enztal ,Schied“- waren randvoll gefüllt. Oben war nach ein 10-12 Pfund schweres „BondeI“ (ein gefülltes Tuch mit Beeren). Die Mädchen haben ihre Körbe schon auf dem zweirädrigen Karren abgestellt, die Frauen tragen sie noch stolz auf dem Kopf. Es ist nicht bekannt, dass je einmal eine Frau ihren 50 bis 60 Pfund schweren Korb im Wald nach getaner Arbeit einmal fallen lıeß. Früher trug man ja alles auf dem Kop, den Mist, die Gülle, das Heu und Öhmd und die Garben. Die Aufnahme entstand um die Jahrhundertwende (Foto und Bildtext van Fritz Reichle).